Fast überall auf der Welt gibt es heute Anthroposophische Gesellschaft. Sie bildet sich, wo Menschen aus innerer Gewissheit, unbeantworteten Fragen oder aus ahnender Sehnsucht damit rechnen, in dem nicht sichtbaren Kern ihres Wesens Teilhaber und Mitwirkende an einer geistigen Schöpferwelt zu sein, die sich dem Bewusstsein in dem Maße erschließt, in welchem das Alltagsdenken höherentwickelt wird – bis zum bewussten erleben geistig wesenhafter Impulsierung auch des praktischen Lebens z. B. auf den Gebieten der Pädagogik, der Medizin, Landwirtschaft, Kunst und christologischer Weltauffassung.
Rudolf Steiner (1861 – 1925), der Begründer der Anthroposophie, sah – ausgehend von wiederholten Erdenleben - in der Beschreitung eines (Selbst-)Entwicklungsweges zum schöpferisch tätigen Menschen die Gewährleistung menschenwürdiger Lebensverhältnisse. Diese werden in der modernen Industrie- und Wissensgesellschaft durch rein materialistisch geprägte, intellektuelle Überzeugungen vom Wesen des Menschen als einer biologischen Maschine zunehmend in Frage gestellt. Anthroposophie will den praktischen Zeitbedürfnissen des Seelen- und Geisteslebens der Menschen entgegenkommen, die Halt und Sicherheit für die Seele, Kraft zum Handeln, Glauben an und Gewissheit für die menschliche Bestimmung suchen.
Um die Bewahrung entsprechender Lebensverhältnisse geht es der Anthroposophischen Gesellschaft. Sie ist aktuell da, wo Menschen angeregt durch die Anthroposophie in einen schöpferischen Dialog treten, wo die Erfahrungen des einen sich an denen des anderen weiterentwickeln.
Sie gliedert sich in Ländergesellschaften, in regionale und lokale Gruppen. Als Weltgesellschaft hat sie ihren Sitz am Goetheanum in der Schweiz. Ihr Mittelpunkt ist die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft. Die Sektionen dieser Hochschule tragen durch geisteswissenschaftliche Forschung zu einer spirituellen Vertiefung ihres jeweiligen Lebens- oder Fachgebietes bei. Sie bearbeiten praktische und konzeptionelle Fragen – beispielsweise aus Pädagogik, Medizin, Kunst oder Landwirtschaft –, begleiten oder beraten Einrichtungen und Initiativen, bündeln Zielrichtungen.
Literatur:
Rudolf Steiner: Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24, GA 260, Dornach 1994.
Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland:
Die besondere geographische Lage Mitteleuropas und der folgenreiche Verlauf des 20. Jahrhunderts in Deutschland, dessen Wirkungen heute deutlicher als je zuvor im Bewusstsein sind, prägen die Lebenssituation der Menschen in Deutschland.
Diese Prägung findet auch in der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland ihren Niederschlag. Durch diese fortwährende Herausforderung der eigenen Schicksalsverantwortung bildet sich ein individuelles wie historisches Gewissen, vor dessen Hintergrund jeder Schritt gesellschaftlicher Entwicklung abzuwägen ist.
In der Anthroposophischen Gesellschaft Deutschlands werden ganz unterschiedliche Formen des Dialogs, der Erkenntnissuche, des Miteinanders gepflegt. Die Teilnahme am gesamtgesellschaftlichen Diskurs reicht von hohem Engagement bis zu zurückhaltender Beobachtung. Angebote zum anthroposophischen Studium gibt es in nahezu allen Städten und Gegenden, ebenso wöchentliche Treffen, Wochenendkurse oder künstlerische Übungen.
Die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland gliedert sich in zehn regionale Zentren, die jeweils von einer größeren Zahl von Zweigen und Gruppen gebildet werden. Inhaltlich sind diese Gruppen und regionalen Zentren autonom; rechtlich sind sie innerhalb eines Vereins zusammengeschlossen, dessen Sitz in Stuttgart ist. Viele Mitglieder haben sich keiner Gruppe angeschlossen und formen ihre eigenen Zusammenhänge, oft eng verknüpft mit der beruflichen Arbeit. Zu den verschiedenen beruflichen Arbeitsfeldern besteht enger Kontakt, auch wenn es keine institutionellen Verbindungen gibt.
Wer sich für die Arbeit innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland interessiert, kann sich von den regionalen Zentren über die Veranstaltungen informieren lassen. Wer Mitglied werden möchte, kann sich an eine lokale bzw. regionale Gruppe wenden oder sich direkt an die Anthroposophische Gesellschaft in Deutschland anschließen.
Der Christian Morgenstern Zweig Münster ist eine dieser lokalen Gruppen. Wir freuen uns über Menschen, die mit der Anthroposophie ernsthaft in Kontakt kommen wollen.
Bodo v. Plato (Hg.): Anthroposophie im 20. Jahrhundert, ein Kulturimpuls in biographischen Portraits, Dornach 2003.